Gastbeiträge

Buchhaltung im 21. Jahrhundert: Die Blockchain als öffentliches, transparentes Kassenbuch

09.01.2023

Die Blockchaintechnologie sorgt für mehr Transparenz bei Transaktionsdaten und erleichtert dadurch die Buchhaltung in Unternehmen deutlich. Diese Aussage stimmt zum Teil, denn es entstehen ebenso neue Herausforderungen. Schon jetzt ist erkennbar, dass die Implementierung entsprechender Buchhaltungs-Prozesse für Firmen einen Schritt in die richtige Richtung darstellt. Dieser Artikel gibt einen kurzen Überblick über die Herausforderungen, welche sich im Zuge dieser Umstellung für die Buchhaltung in Firmen ergeben.

Das Erstellen und Sammeln von Belegen für Zahlungen ist keineswegs eine Erfindung der modernen Zivilisation. Es ist praktisch so alt wie die Menschheit selbst. Die ersten Aufzeichnungen über gehandelte Waren, die mit ihren jeweiligen Preisen festgehalten wurden, stammen aus Mesopotamien und liegen etwa 7.000 Jahre zurück. Die Menschen meißelten damals Nachweise über ihre Besitztümer und Transaktionen auf Steinplatten. Doch warum machte man sich diese Mühe und wählte ein so unhandliches Medium?

In dieser Zeit mussten Menschen darauf vertrauen, dass Mittelsmänner ihre Aufzeichnungen nicht veränderten. Dies geschah beispielsweise, indem man die richtigen Anreize setzte und vertrauenswürdigen Drittparteien einen Anteil des eigenen Profits zugestand. Ein anderes beliebtes Mittel gegen die Manipulation von Aufzeichnungen war es, ein schwer zu manipulierendes Medium zu benutzen (Steinplatten) und die Aufzeichnungen öffentlich zu machen.

Vor etwa einem Jahrtausend war es in Europa üblich, ein sogenanntes Kerbholz zur Dokumentation von Schulden zu nutzen. Ein geeignetes längliches Holz wurde mit Symbolen markiert. Anschließend wurde das Holz längs gespalten, sodass Schuldner und Gläubiger die an der Trennstelle zusammenpassenden Einritzungen auf ihrer Stockhälfte dokumentiert fanden. Wieder zusammengefügt zeigte sich, ob die beiden Hälften zusammengehörten oder ob eine Hälfte nachträglich manipuliert worden war.

Die Blockchain-Technologie revolutioniert Buchhaltung vor unseren Augen

Im Jahre 2009, mit dem Start der ersten öffentlichen Blockchain, sollte sich die Art wie wir Buch führen für immer verändern. Mit der Einführung der Blockchain-Technologie wurde das Prinzip eines öffentlichen Hauptbuches auf die nächste Stufe gehoben. Eine Blockchain ist nichts anderes als eine Datenbank. Der Inhalt dieser Datenbank entspricht einem unveränderlichen, öffentlichen Kassenbuch und verändert dadurch die Art und Weise, wie Handelspartner den Besitz ihrer Vermögenswerte dokumentieren. Zum ersten Mal können Teilnehmer Transaktionen durchführen und Aufzeichnungen über Vermögenswerte führen, ohne dass dabei einer Drittpartei vertraut werden muss. 

Dies ist möglich, da ein Blockchain-Netzwerk durch seine Anreizstruktur dafür sorgt, dass keine einzelne Entität in der Lage ist, einmal geschriebene Daten nachträglich zu manipulieren. Die so entstehende Datenhaltung ist sowohl öffentlich und transparent, als auch extrem manipulationssicher. Wer Daten in der Blockchain ändern möchte, muss eine große Menge Ressourcen in Form von elektrischer Energie und Hardware aufbringen und zehntausende Netzwerkknoten davon überzeugen, dass seine Version des Datenstandes die korrekte ist. Die Hardware und Energiekosten für eine Manipulation der Dateneinträge wären größer, als die mögliche Beute eines solchen Angriffs. Eine Manipulation der Blockchain wäre also ein Verlustgeschäft für einen potenziellen Hacker.

In den 15 Jahren seit Einführung der Bitcoin-Blockchain ist dementsprechend noch keine Manipulation der Daten beobachtet worden. Selbst für den Fall, dass jemand es schaffen sollte, die Daten in der Blockchain zu verfälschen, verfügen zehntausende Netzwerk-Teilnehmer über eine Kopie der bisherigen Datenbank, sodass diese mit wenig Aufwand auf einen Zeitpunkt vor der Attacke zurückgesetzt werden kann. (Dies ist 2016 im Zusammenhang mit dem “DAO-Hack” auf der Ethereum Blockchain geschehen.)

Die Unzulänglichkeiten der Blockchain

Man könnte meinen, dass dieses öffentliche, unveränderliche Hauptbuch die Probleme der modernen Buchführung ein für alle Mal löst. Aber es gibt einige Herausforderungen, die diese neue Technologie nicht lösen kann. Die Speicherung von Daten auf der Blockchain ist teuer, und daher wird der kostbare Platz “On-Chain” in der Regel nur für die Speicherung von Hash-Werten verwendet. Der Hash-Wert einer Transaktion ist ein eindeutiger Beweis dafür, dass der Eintrag im Hauptbuch gültig ist. Dabei ist ein Hashwert platzsparend und enthält nur Sender- und Empfängeradressen, so wie den Transaktionsbetrag. Dies ist nützlich, um die Datenmenge kleinzuhalten, aber für eine ordnungsgemäße Buchführung im Rahmen der Bilanz eines Unternehmens nicht ausreichend. Würde man alle Belege mit den entsprechenden Transaktionen verknüpfen und direkt auf einer Blockchain abspeichern, würde man so viel Speicherplatz benötigen, dass eine Nutzung nicht mehr wirtschaftlich wäre. Wie also lässt sich dieses Dilemma umgehen?

Ist es an der Zeit, Buchführung neu zu denken?

Reguläre Banktransaktionen von Unternehmen sind sehr häufig mit einer Rechnung oder einer Quittung verknüpft, welche die Gültigkeit der Transaktion belegt. Die Buchungen und Kontostände sind nur von der jeweiligen Bank und dem Unternehmen selbst einsehbar. Unser Bankennetzwerk ist deshalb ein geschlossenes und intransparentes Netzwerk, was durchaus Vorteile haben kann. So lässt sich der Beleg zusammen mit den eigentlichen Transaktionsdaten am gleichen Ort abspeichern, ohne dass man Bedenken bezüglich der Sicherheit vertraulicher Informationen haben müsste.

Wenn ein Unternehmen hingegen Transaktionen in einem Blockchain-Netzwerk durchführt, sind diese öffentlich sichtbar und der Geldfluss für jeden Teilnehmer jederzeit nachvollziehbar. Wie aber kann nun sichergestellt werden, dass in der Blockchain jedem Mittelfluss ein gültiger Beleg gegenübersteht und zugeordnet werden kann? 

Da die Transaktionsdaten nicht unter der Kontrolle des Unternehmens oder einer einzelnen Entität (Bank) stehen, kann das Hinterlegen von Belegen nur auf Unternehmensebene (dezentral) erfolgen. Die gängige Praxis ist es, alle Transaktionen in den Accounts, sogenannten Wallets, eines Unternehmens zu verfolgen und die Quittungen und Rechnungen separat mit entsprechenden Verweisen zu speichern. Da die Daten in der Blockchain als vertrauenswürdig angesehen werden können, kann jede Entität bei Bedarf einen Bericht über den gesamten Cashflow eines Unternehmens erstellen. Dies macht den Prozess der Buchführung flexibler und transparenter als bei traditioneller Buchhaltung, stellt die Unternehmen aber auch vor völlig neue Herausforderungen.

Alte Herausforderungen wurden gelöst, doch neue sind entstanden
Wie kann sichergestellt werden, dass Transaktionen und zugehörige Belege korrekt miteinander verknüpft sind? Eine eindeutige Zuordnung ist im Moment nur mithilfe entsprechender Krypto-Buchhaltungs-Software möglich und wird von traditioneller Buchhaltungssoftware häufig noch nicht unterstützt. 

Weiterhin stellt sich die Frage des Denominierens der Zahlungsbeträge. In einem Blockchain-Ökosystem wird häufig das native Token des Netzwerkes benutzt (beispielsweise Ether auf der Ethereum Blockchain). Diese Token besitzen oft eine hohe Volatilität und eignen sich daher für Unternehmen häufig nicht als Recheneinheit. Wird nun eine Zahlung in Ether durchgeführt, muss der entsprechende Wert in der lokalen Währung (bspw. Euro) zum Transaktionszeitpunkt dokumentiert werden. Dies klingt auf den ersten Blick einfach, doch welcher Preis auf welcher Börse sollte als Referenz dienen? Um sicher zu sein, kann hier der Durchschnittspreis über mehrere Börsen mit hohem Handelsvolumen herangezogen werden. Dies kann je nach Netzwerk einigen Arbeitsaufwand erfordern. Es empfiehlt sich auch hier die Nutzung einer entsprechenden Krypto-Buchhaltungs-Software.

Ist die Buchhaltung für digitale Assets schon ausgereift?

Es gibt eine Reihe von großen und kleinen Unternehmen, die sich schon heute daran wagen, digitale Assets auf ihrer Bilanz zu halten. Auch wenn einige Herausforderungen noch nicht abschließend überwunden wurden, können sich “early adopter” einen Marktvorteil verschaffen, indem sich früh mit der Technologie vertraut gemacht wird. Für viele der oben genannten Probleme gibt es immer bessere Antworten von findigen Start-ups, die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden sprossen. Die Technologie der Blockchain dient hier als Fundament auf dem entsprechende Anwendungen für eine einfache und ordentliche Buchhaltung gebaut werden. 

Eine Massen-Adoption von digitalen Assets auf Unternehmensebene wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Dafür ist eine klare Regulierung ebenso nötig, wie eine möglichst einfache Handhabung dieser neuen Technologie. Wer sich heute schon daran versuchen möchte, findet bereits erste Lösungen, die viel Arbeit erleichtern und zeigen, wohin die Reise gehen kann.

Oliver Schantin

Co-Founder & CEO

basenode.io

Oliver ist seit mehreren Jahren stark in der Blockchain- und Unternehmenswelt engagiert. Er gründete sein erstes Blockchain-Startup im Jahr 2019 und ist ein häufiger Redner und Gast in verschiedenen Krypto-Podcasts, auf Konferenzen und Gipfeltreffen.


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