Gastbeiträge

Investment- und Anlagestrategien bei Kryptowährungen

02.02.2023

Jeder der schon einmal in Kryptowährungen (bzw. digitale Assets, als ein allgemeinerer Begriff dieser Asset-Klasse) investiert hat, wird sich folgende Frage gestellt haben: Was soll man eigentlich kaufen? Neben Timing und Allokation ist gerade die Selektion, also die Auswahl eines Assets, eine elementare Frage in der Geldanlage. Diesem Problem müssen sich nicht nur Krypto Investoren stellen, sondern auch Anleger in anderen traditionellen Asset-Klassen wie Aktien oder Anleihen. Allerdings ist diese Frage für digitale Assets schwieriger zu beantworten als bspw. im Aktien Bereich, da für die wenigsten Kryptowährungen oder Token eine Bilanz oder eine Einkommen-Überschuss Rechnung zur Verfügung steht. Im Aktien Bereich sind dies gängige Informationsquellen für Anleger, um einen „fairen“ oder fundamentalen Wert abzuleiten. Diese Informationen sind im Krypto Bereich in nur wenigen Fällen vorhanden. 

Es gibt daher verschiedene Ansätze und Verfahrensweisen, um geeignete digitale Assets auszuwählen. Diese unterscheiden sich im Hinblick auf das (Lebens-) Stadium einer Kryptowährung oder eines Tokens. Deshalb soll nachfolgend auf drei konkrete Stadien eingegangen werden, wobei der Fokus im weiteren Verlauf auf liquiden Assets liegen soll.

Pre-Sales und ICOs 

Für sehr junge Projekte, welche sich noch in einem Anfangsstadium befinden, gibt es nicht selten die Möglichkeit an sog. Pre-Sales oder ICOs (Initial Coin Offering) teilzunehmen, bevor diese an bekannten Krypto Börsen handelbar sind. Vor allem in den Jahren 2017 und 2018 wurden sehr viele ICOs durchgeführt, die Überlebensrate von diesen Projekten ist allerdings überschaubar. Mittlerweile hat dieser Hype abgenommen, es besteht jedoch noch immer die Möglichkeit über einen solchen Weg in junge Projekte oder Ökosysteme zu investieren. Die primäre Informationsquelle in einem solchen Fall ist das Whitepaper eines Projekts. Darin werden die Idee, Technologie, zukünftige angestrebte Handelsplätze, das Team, die Monetarisierungsstrategie und viele weitere Angaben dargestellt. Es handelt sich dabei aber meist um Erwartungen und Annahmen. Oft werden auch keine Angaben zu den Personen hinter dem Projekt gemacht, was als erstes Warnsignal zu werten wäre. Investoren solch junger Projekte müssen also für eine Vielzahl von Investitionsmöglichkeiten eine umfassende Analyse oder auch „Due Diligence“ durchführen, bevor entschieden werden kann, welches das aussichtsreichste Investment sein könnte. Dieser Prozess bedarf viel Zeit und auch Expertise, vor allem wenn es um technische Details geht.

Small Cap 

Für bereits etwas etablierte digitale Assets, die an Handelsplätzen gelistet sind, stellt sich noch eine weitere Frage. Ist der Handelsplatz vertrauenswürdig? Somit kommt zusätzlich zu dem Risiko des Investments noch ein „Counterparty“ Risiko hinzu. Damit ist das Risiko gemeint, dass die Institution, welche den Handel und die Verwahrung von digitalen Assets anbietet, zahlungsunfähig werden könnte und damit das eigene Investment verloren geht. Oft sind solche zentralen Dienstleister in Ländern registriert, welche nur geringe regulatorische Standards aufweisen. Ein multilateraler Handelsplatz wie Boerse Stuttgart Digital Exchange und deren Kooperationspartner hingegen unterliegen der strengen deutschen Regulierung und werden von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht beaufsichtigt.

Liquide Assets 

Für bereits ältere und liquidere digitale Assets spielt das Whitepaper keine bedeutende Rolle mehr. Der geeignete Handelsplatz muss nach wie vor sorgfältig ausgewählt werden, doch gibt es in diesem Bereich nun andere Ansätze, um die „besten“ digitalen Assets auszuwählen. Da fundamentale Daten in den meisten Fällen nicht zur Verfügung stehen, greift man hier vermehrt auf quantitative, empirische Ansätze zurück. Diese basieren hauptsächlich auf den Preis-, Handelsvolumen- und Marktkapitalisierungsdaten, um individuelle Kryptowährungen zu selektieren. Es ist allerdings auch möglich umgekehrt an diese Fragestellung heranzugehen und zu versuchen passende Assets für ein bereits bestehendes Portfolio zu finden, bspw. um die Korrelation zum gesamten Krypto Markt zu verringern. 

Deshalb soll nachfolgend auf verschiedene Verfahren eingegangen werden, welche für die Selektion von digitalen Assets prädestiniert sind. Diese Liste ist keineswegs vollständig und stellt nur einen Teil der möglichen Methoden und Verfahrensweisen dar:

Saisonalität

Ein bekannter Ansatz, der auch im Fremdwährungsmanagement verwendet werden kann, befasst sich mit der spezifischen Jahreszeit für ein Investment. Dabei werden über die komplette Datenhistorie die Renditen an allen Wochentagen bzw. in jedem Monat gemittelt. Somit kann man auf einen Blick erkennen, zu welcher Jahreszeit ein digitales Asset empirisch gesehen die höchsten Renditen erwirtschaftet. Einige der größten digitalen Assets bspw. performen im Herbst / Winter generell besser als im Sommer eines Jahres. Die Gründe dafür mögen nicht ganz klar sein, aber dieses Verhalten hat sich bisher schon häufig wiederholt. In einigen südeuropäischen Urlaubsländern verhält es sich genau umgekehrt. Gerade im Sommer, wenn viele Touristen in diese Länder strömen, wertet die lokale Währung stark auf. Im Winter mit niedrigeren Touristenzahlen handelt die entsprechende Währung meist wieder etwas schwächer.

Charakteristika / Finanzindikatoren

Die oben beschriebene Saisonalität gehört auch zu dem generellen Bereich der Charakteristika bzw. Finanzindikatoren. Über Jahrzehnte hinweg haben Wirtschaftswissenschaftler und andere Forscher hunderte von Indikatoren und Kennzahlen entwickelt und getestet. Die meisten davon stammen aus der Aktienforschung und wurden auf andere Asset-Klassen übertragen, wie auch auf digitale Assets. Diese Indikatoren können entweder für die Frage nach dem optimalen Timing einer Position herangezogen werden oder aber zur Selektion. Für das Timing wird nur eine einzige digitale Währung und ein spezifischer Indikator betrachtet. Je nach Indikatorwert können dann Handelssignale abgeleitet werden. 

Für die Selektion hingegen wird eine große Anzahl an digitalen Assets (das gesamte Handelsuniversum) verwendet und diese Liste an Assets nach der Höhe der Indikatoren Werte sortiert. Je nach relativer Positionierung (weit oben oder unten auf der Liste) können Selektionsentscheidungen getroffen werden. Dabei ist der relative Ansatz von zentraler Bedeutung. Meist wird dabei nicht nur ein einzelnes Asset herausgefiltert, sondern eine größere Zahl (bspw. die besten oder schlechtesten 5% des betrachteten Universums). Somit ist es möglich das bestehende Investmentuniversum auf wenige potenzielle Kandidaten herunterzubrechen. Diese werden in einem zweiten Schritt nochmals genauer unter die Lupe genommen und anhand von bspw. Saisonalität hinsichtlich des Timings bewertet. Saisonalität kann hingegen auch verwendet werden, um zu einer bestimmten Jahreszeit geeignete Assets zu identifizieren. Dadurch lässt sich mit nur wenigen Schritten das gesamte Anlageuniversum der digitalen Assets untersuchen und bewerten. Mit diesem Ansatz wird auch die komplette Informationsfülle in Anspruch genommen, da alle verfügbaren bzw. relevanten digitalen Assets in diese Analyse miteingehen. Bekannte Indikatoren, für welche solch ein Vorgehen möglich ist, sind bspw. Momentum, Reversal, Liquiditätskennzahlen oder Sentiment Indikatoren.

Machine Learning und AI

Nun ist es jedoch auf Grund der Fülle an Daten und Informationen nicht immer einfach den Überblick zu behalten. Vielleicht betrachtet man ein Set bestehend aus fünf Indikatoren und der sechste Indikator, welcher nicht betrachtet wurde, könnte noch einen entscheidenden Hinweis liefern. Deshalb besteht die „Königsdisziplin“ darin, diese verfügbaren Daten und Indikatoren zu verknüpfen und anschließend zu kondensieren. Dadurch wird die komplette Bandbreite an Informationen betrachtet und auf einfach zu interpretierende Ergebnisse heruntergebrochen. Für solche Aufgaben sind vor allem Machine und Deep Learning Algorithmen gut geeignet, welche speziell für Untersuchungen großer Datenmengen konzipiert wurden. 

Die Möglichkeiten zur Selektion von digitalen Assets sind somit vielfältig und variieren über den Lebenszyklus eines Assets hinweg. Für einen Investor ist es wichtig sich auf einen Ansatz zu fokussieren und ein gewisses Verständnis und Sicherheit dafür aufzubauen. Wenn dies erfolgt ist, können weitere Ansätze betrachtet und das eigene Vorgehen darum ergänzt oder angepasst werden. Es ist nicht unbedingt notwendig sich mit jedem der oben genannten Vorgehensweisen auseinanderzusetzen, sondern meist ist es ratsamer ein für sich funktionierendes System zu finden und ein „Experte“ darin zu sein. Mit der Zeit tauchen immer neue Probleme und Fragestellungen auf, für welche manche der beschriebenen Vorgehensweisen einen deutlichen Mehrwert liefern können und damit die eigene Selektion bereichern. 

Tobias Glas

CEO

crypto-matter.com

Tobias Glas ist Managing Partner der Krypto Daten-, Research- und Analyseplattform crypto-matter.com. Er hat im Bereich Asset Pricing in Bezug auf digitale Assets promoviert und beschäftigt sich intensiv mit Investment- und Anlagestrategien in dieser Asset-Klasse.


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